Erftmühlengraben

Geschichte

Voraussetzung des Erftmühlengrabens in Neuss war die Anlage der Obererft 1456-1460.

Verbunden mit dem vom Kölner Erzbischof Dietrich von Moers 1456 verliehenen Recht, für die ab Grimlinghausen in mehreren Schleifen mäandrierende Erft einen neuen, verkürzten Flusslauf zu schaffen, wurden zwei Ziele erreicht: der östliche Stadtgraben erhielt frisches Fließwasser zugeführt und es konnten dicht vor der Stadt neue Mühlen angelegt werden. 

Für das neue, künstliche Flussbett, vielfach in der Literatur auch als Kanal bezeichnet, wurde 1460 erstmals als „neuwe Arp“ bezeichnet setzte sich der bis heute gebräuchliche Name Obererft durch. Die alte Erft floss östlich von den Abzweig bei Selikum weiter auf Grimlinghausen zu, wurde dort aber von einer aus einer Rhein und Erft aus Ablagerungen gebildeten Sanddüne vor einer direkten Mündung in den Rhein nach Norden abgelenkt und führte dann im alten Flussbett des Rheines annähernd parallel zu dessen östlichem Verlauf an der Stadt Ness vorbei und mündete nördlich der Stadt bei Heerdt in den Rhein. Auf diesem auf Neuss zuführenden Weg trieb die Erft nördlich von Grimlinghausen die erste, überhaupt in den Quellen 1195 genannte Epgesmühle. Der Mühlenname bezog sich auf die Äbtissinnen (epges = Abdissen = Abdis = Äptissinnen) des Neusser Quirinusstifts. Das Stift war mit seinem Immunitätsbezirk und der im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts begonnenen Stifts- und Pfarrkirche St. Quirinus einer der Ursprünge des mittelalterlichen Neuss. 

An der alten, auf Grimlinghausen zuführenden Erft lagen die beiden anderen frühen Mühlen im Umland von Neuss: die 1280 erwähnte Bischofs- oder Stegmühle und die Stein- oder Helpensteiner Mühle.  

Nach Anlage der Obererft zwischen 1456 und 1460 erfolgte im burgundischen Krieg und der Stadtbelagerung durch Karl den Kühnen 1474/75 ein Durchstich für die alte Erft bei Grimlinghausen mit einem nun direktem Weg der Erft zum Rhein. Mit diesem Kriegsakt wollte Karl der Kühne bei gleichzeitiger Sperrung der Obererft den Zufluss von Erftwasser in Stadtgräben und das alte Erftbett unterbinden. Die Maßnahme hatte nur beschränkten Erfolg, weil die Wasserläufe mit dem Grundwasser des Rheins gefüllt blieben. Neuss widerstand der Belagerung und wurde vom Kaiser mit zusätzlichen Privilegien und allen Rechten einer Hansestadt ausgestattet. Die Stadt Neuss hielt nach dem Ende der Belagerung den Erftdurchstich bei Grimlinghausen aufrecht. Sowohl Epgesmühle wie auch durch die zum Hauptweg des Erftwassers avancierende Obererft den beiden anderen älteren Mühlen westlich vor Grimlinghausen wurde damit Antriebsenergie entzogen. Der Alterftarm nördlich von Grimlinghausen verlandete im 17. Jahrhundert. Anstelle der älteren Mühlen traten seit dem 15. Jahrhundert neue Mühlen an den Stadtgräben direkt angebaut an die drei ab 1180 entstandenen und in den folgenden Jahrhunderten stetig ausgebauten Torburgen der Neusser Stadtbefestigung im Süden (Obertor), im Westen (Hamtor), im Norden (Niedertor) und im Nordosten (Rheintor).   

Die Anlage der Obererft hatte zwei wesentliche Motive: die sehr viel effektivere Wasserführung sollte die Stadtgräben mit Fließwasser versorgen und zur Neuanlage von Mühlen dienen. Der Zustand der Gräben hatte sich durch die Rheinverlagerung zusehends verschlechtert. Das Wasser der von Nordosten schräg auf die Stadt zuführende Krur reichte nicht aus, um hier ein fließendes Gewässer sicher zu stellen. Im Stadtgraben bildete sich stehendes Wasser. Versumpfung und Verlandung drohten zum Verlust der fortifikatorischen Bedeutung der Gräben im Westen, Süden und Norden. Die Erhaltung und Stärkung der Verteidigungsfunktion war der wohl maßgebliche Grund für den Landesherrn, dieser kurkölnischen Stadt die Genehmigung zum Bau der Obererft 1456 zu erteilen.   

Das zweite Motiv war die Neuordnung der Mühlenverhältnisse. Durch die Zuflüsse von Erft und Krur in die Stadtgräben erhielten diese so viel Antriebsenergie, dass sie zugleich als Mühlengräben genutzt werden konnten. Voraussetzung für diese anspruchsvolle Zielsetzung war die Ablösung der bischöflichen Mühlenrechte. Die Bischofs- oder Stegmühle war Bannmühle für die Stadt Neuss. Schon 1445 gelang der Stadt aus einer finanzellen Notlage des Erzbistums heraus zunächst der Erwerb der bischöflichen Mühlenrechte mit der Berechtigung, die Mühle an neuer Stelle zu errichten. Mit dem Bau der Obererft gelang 1458 auch die Übernahme der Stein- oder Helpensteiner Mühle, die bisher Zwangsmühle für Grimlinghausen war. Für die Äbtissinnenmühle gelang nach rechtlichen Auseinandersetzungen erst 1714 endgültig die Übernahme der allerdings nur für das Rheintorviertel geltenden Bann-Mühlenrechte. Die Mühle war im Hessischen Krieg 1648 zerstört und nicht wiederaufgebaut worden. Die Stadt erwarb die Mühlenrechte seit 1651 in Zeit- und dann 1712 in Erbpachtverträgen.

Neuss im 16. Jahrhundert mit den Mühlenstandorten. Es fehlt in dieser Darstellung nur die Hamtormühle. Quelle: Kreiner, Ralf: Städte und Mühlen im Rheinland. Das Erftgebiet zwischen Münstereifel und Neuss vom 9. Bis 18. Jahrhundert (=Aachener Studien zur älteren Energiegeschchte 5), Diss. Aachen 1995

Mit Nutzung der Stadtgräben als Erftmühlengraben und den schrittweisen Bau neuer Mühlen an den Stadttoren gelang der Stadt Neuss eine äußerst erfolgreiche und in der erfolgten Konsequenz wohl einmalige Situation. Statt der abseitigen und stets gefährdeten Lage der Mühlen am alten Erftlauf waren die Mühlen nun besser erreichbar und zugleich auch gegen Verwüstungen durch Kriegshandlungen effektiver geschützt. Die Mühle wurden zugleich ein Mittel städtischer Gewerbepolitik, dienten zur als Walk-, Schleif-, Lohmühlen der Mechanisierung handwerklicher Produktion. Mit den Getreide- und Ölmühlen an den Stadttoren wurden die Grundlagen dafür geschaffen, dass Neuss zum führenden Mühlenstandort Nordwestdeutschlands für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte nach erfolgtem Hafenausbau werden konnte. Der Erwerb der Mühlenrecht, verbunden mit dem Bau der Obererft und dem Ausbau der Stadtgräben zum Erftmühlengraben gilt als eine der erfolgreichsten Finanz- und Infrastrukturmaßnahmen, die die Stadt Neuss jemals unternommen wurde.      

An vier Stadttoren wurden nach dem 1460 abgeschlossenen Bau der Obererft Mühlen errichtet: Obertor, Ham-, Nieder- und Rheintor. 

Obertorviertel

Besonders ausgeprägt war der Mühlenstandort am Obertor. Der Erftmühlengraben speiste hier zwei schmalere Nebengräben an denen jene Mühle entstanden, die zum Ausgangspunkt der Industrialisierung in Neuss wurde. 

Baulich direkt angebunden an das Obertor und die anschließende Stadtmauer gab es am nördlichen Nebengraben einen Komplex aus drei Mühlen: Korn- und Walkmühle werden schon 1493 erwähnt, eine Lohmühle kam 1600 dazu. Seitlich neben dem Obertor und direkt verbunden mit der Lohmühle war der städtischen Lohhof angeordnet. Hier lagerte jene Eichen-, Fichten- und Weidenrinde aus der mit Hilfe von Galläpfeln und anderen Gerbsäure enthaltenden Baumfrüchten die zur Gerberei unverzichtbare Lohe erzeugt wurde. Für das Gerben einer einzigen Tierhaut werden 30kg Gerberlohe gebraucht, die durch das Stampen und Mahlen der Baumrinde und den genannten Zusätzen in der Lohmühle entsteht.

Die Lohmühle wurde zu einem Focus der Neusser Industrieentwicklung. 1813 zwang Napoleon die Stadt zum Verkauf von Gemeindeeigentum, um mit dem daraus erzielten Gewinn Zahlungsverpflichtungen erledigen zu können. Die Lohmühle ging aus einer dem französischen Edikt folgenden Versteigerung an Heinrich Christian Thywissen. Die gegenüberliegende Walkmühle erhielt Johann Peter Kallen. Die Ölmühle von Kallen blieb über mehrere Jahrzehnte hinweg unbedeutend. Thywissen entwickelte seine Ölmühle zu einem Fokus der Frühindustrialisierung, betrieb dort schon Mitte der 1820er Jahre hydraulische Ölpressen und ergänzte die Wasserkraft 1834 durch Aufstellung einer Dampfmaschine. Als die Firma Heinrich Thywissen 1865 Konkurs anmelden musste, erwarb sein Bruder Caspar Thywissen die Anlage. Da dieser eine große Fabrik an der Brückstraße entwickelt hatte, konnte er auf die Mühle am Obertor verzichten. Peter Wilhelm Kallen, der am gleichen Mühlgraben gegenüber der Thywissen’schen Mühle seine Ölmühle betrieb, ersteigerte 1882 die Anlage und betrieb dann nach Thywissen die zweitgrößte Ölmühle in Neuss. 

Zwischen Obertor und den beiden Ölmühlen lag die städtische Mahlmühle. Da sich für diese Mühle bei der von den Franzosen 1813 angeordneten Versteigerung keine Käufer fand, blieb die Anlage in städtischem Eigentum und wurde an Mühlenpachter weitergegeben. 1862 brannte die Mühle nieder und wurde als fünfgeschossiger Backsteinbau nun mit einer 30PS starken Turbine wiederrichtet. Die Neuanlage war offenbar so attraktiv, dass sie 1872 vom Kölner Heinrich Auer erworben wurde. Auer hatte 1850 eine Mühle im Kölner Vorort Nippes errichtet und dehnte seinen Wirkungsbereich kontinuierlich aus mit Zukäufen in Siegburg, Düsseldorf und Mannheim. Durch eine Großmühle im (Köln-) Deutzer Hafen konzentrierte er 1908 hier seine Tätigkeit. Auer wurde einer der großen Mehlproduzenten Deutschland. Seine in den 1920er Jahren die erzeugte Marke „Aurora“, war lange das beliebteste Markenmehl in Deutschland war. 

Die Auer-Mühle in Neuss ist nicht erhalten, ebenso wenig wie die benachbarten Ölmühlen. Noch Paul Clemen, rheinischer Provinzialkonservator hat diese Mühle gesehen und im Zusammenhang mit dem Obertor 1906 dargestellt.

Alle diese wirtschaftlichen Aktivitäten spielten sich am nördlichen, direkt am Obertor vorbeifließenden Mühlengraben ab. Am parallel geführten südlichen Mühlengraben gab es einen zweiten, aus drei Mühlen bestehenden Komplex. Die dortige, schon erwähnte städtische Walkmühle war 1813 an den Krefelder Fabrikanten Conrad Lohmann versteigert worden. Auch daraus wurde 1843 eine Ölmühle. Gegenüber auf der Nordseite dieses Mühlengrabens lagen eine städtische Ölmühle und eine Lohmühle.

Wie dieser Komplex sind auch die anderen hier im Süden von der Erft angetrieben Betriebe verschwunden: die Lederfabrik von F. Kaumanns, die Kunstwollfabrik von N. Ulmer und die Ofenschleiferei und Maschinenfabrik von F. Josten. Vor dem Obertor war ein historisch bedeutendes kleines Industriegebiet entstand, das sich aus dem spätmittelalterlichen Mühlenviertel heraus entwickelte und eine hohe Bedeutung für die Neusser Industrie- und Wirtschaftsgeschichte erlangte.     

Hamtormühle

Die Entstehung der Mühle am Mitte des 13. Jahrhunderts erbauten Hamtor liegt im Dunkeln. Auf dem Vogelschauplan von Peter Pannensmit nach Braun/Hogenberg (vor 1586) ist hier noch keine Mühle dargestellt. Überliefert ist  die 1796 erteilte Konzession für eine von Gottfried Schweden mit Wasserkraft betriebene Zwirn-Fabrik und Garnbleicherei, die schon 1804 in eine Ölmühle umgewandelt wurde. Es war die erste private Ölmühle in Neuss. Die Mühle hatte ein mittelschlächtiges Wasserrad und bekam spätestes 1875 eine Dampfmaschine. Das Hamtor wurde schon 1841 niedergelegt. Die Mühle wich nach dem Krieg dem 1961/62 erbauten Hamtorhotel. In den 2001 neugestalteten Hamtorplatz wurden sichergestellte Mühlsteine in die Platzgestaltung einbezogen.

Der nördliche Abschnitt des Erftmühlengrabens wurde seit 1895 ab Hamtorwall zur besseren Anbindung des Bahnhofsviertels unterirdisch geführt.

Niedertormühle

Am Niedertor wurde nach Fertigstellung der Obererft (1460) die erste Wassermühle am Erftmühlengraben errichtet. Es war eine kleine Kornmühle mit unterschlächtigem Wasserrad, wie die Darstellung von Pannensmit (vor 1581) zeigt. Als das Niedertor 1810 nach Einsturz abgebrochen wurde, wird auch die Niedermühle beseitigt worden sein.

Rheintormühlen

Aufgrund der gewählten Perspektive aus Nordosten sind die beiden Mühlen am Rheintor im Vogelschaubild von Pannensmid am besten dargestellt. Beide Mühlen hatten unterschlächtige Wasserräder und schmiegen sich in den Winkel zwischen der Zwingermauer der Torburg und dem nordöstlichen Eckturm der Stadtmauer. Beim Verkauf der 1813 von Napoleon angeordneten städtischen Gemeindeeigentums ist nur noch von einer Ölmühle am Rheintor die Rede, die aber den Höchstpreis aller versteigerten Mühlen erzielte. 1816 wurde das Rheintor zwecks Straßenverbreiterung abgebrochen. Auch nach dem Bau des Erftkanals 1835-37 blieb dieser Ort ein Mühlenstandort, genutzt als eine zwischen Kanal und Rheintorstraße gelegene Mehlfabrik. Der Erftmühlengraben floß unter der Fabrik hindurch, um dann in den Kanal zu münden.

Mühlengräben haben in der Geschichte der Mühlentechnik eine lange Tradition und sind schon seit dem 5. Jahrhundert überliefert. Teils aufwändige Wasserbauwerke versorgten eine, häufig auch mehrere, an einem Graben gelegene Mühlen mit Wasserenergie. Umfangreich ist das System von zehn Mühlengräben, das sich auf einer Länge von 45 km links und rechts der Rur südlich und nördlich von Düren erstreckt. Für die Erft werden acht Mühlengräben genannt wobei der Erftmühlenbach bei Euskirchen mit 23 Mühlen das bedeutendste Wasserbauwerk dieser Art an der Erft war. Der Erftmühlengraben in Neuss folgt in mit acht Mühlen an zweiter Stelle. Die Nutzung der Mühlengräben für fortifikatorische Zwecke etwa zur Bewässerung von Burggräben war nicht ungewöhnlich, wie der Lechenicher Mühlenbach zeigt, der zudem noch sieben Mühlen antrieb.  

Erhaltende Bauten und Anlagen

Auf einer Länge von etwa 1,4 km ist der oberirdische Erftmühlengraben heute zwischen Augustinerstaße um Hamtorwall erlebbar. Nördlich der Eimündung der Obererft hat der Graben bis zum Hamtor das niedrigste, kaum wahrnehmbare Gefälle zwischen 1:5650 und 1:562. Hier ist der Verlauf des Grabens geprägt von der  in der Zeit, als Ludwig IVX. Teile des Niederrheins besetzt hatte 1672 geplanten aber nur wenige Jahrzehnte bestehenden Neusser Zitadelle mit ihrem sternförmigen Bastionssystem geprägt. Dieser Teil des Erftmühlengrabens wird zuweilen auch Zitadellengraben genannt. In der Grabenführung entlang des Wierstraetweges entspricht der Graben aber dem spätmittelalterlichen Verlauf. 

Die auf dem Hamtorplatz für einen Brunnen verwendeten Mahlsteine erinnern an die Hamtormühle.

Das für die Tunnelstrecke entstandene Mundloch ist am Ende der offenen Grabenstrecke eingelassen in einer mit großen Blöcken gemauerten Natursteinmauer zu sehen. Der hinter dem Mundloch sich erstreckende Tunnel ist tonnengewölbt, und in Feldbrandziegeln unter Einfügung von Basaltsteinen gemauert. Die mittlere Innenhöhe beträgt 2,10 Meter, die Breite 75 cm.

Die nördliche Strecke des Erftmühlengrabens, ab Hamtorwall unterirdisch geführt, hat bis zum Rheintor ein Gefälle von 1:371 und auf den letzten Metern zwischen Rheintor und Mündung in den Erftkanal mit einem Gefälle von 1:43 ein Höhenunterschied von heute bis zu 4,89 m. Da der Wasserspiegel vor dem Bau des Erftkanals 2 m höher lag, fiel der Höhendifferenz geringer aus, betrug aber immer noch knapp 3 m. Von den Mühlen am Rheintor sind keine Reste erhalten. 

Die verrohrte Strecke des Erftmühlengrabens zwischen Hamtorwall und Mündung in den Erftkanal ist in die Enkmalliste eingetragen. Das für die Tunnelstrecke entstandene Mundloch ist am Ende der offenen Grabenstrecke in eine Stützmauer unterhalb der Hamtorwallstraße eingelassen in einer mit großen Blöcken gemauerten Natursteinmauer zu sehen. Der hinter dem Mundloch sich erstreckende Tunnel ist tonnengewölbt, und in Feldbrandziegeln unter Einfügung von Basaltsteinen gemauert. Die mittlere Innenhöhe beträgt 2,10 Meter, die Breite 75 cm.

Der südliche Abschnitt des Erftmühlengrabens hatte zwischen Obererft und Einmündung in den Rhein- / bzw. Erftarm hatte das größte Gefälle. Von den Mühlen und Fabriken am Obertor sind keine Reste erhalten. Das Obertorviertel war in den 1960er Jahre ein Sanierungsgebiet. Die letzte bis dahin dort noch betriebene Ölmühle Kallen wurde in das Hafengebiet verlagert, die Fabrikgebäude abgebrochen und durch Wohnhäuser ersetzt. Geblieben ist von den wassertechnischen Anlagen ein regulierbares Stauwehr, etwa 150 m südlich vom Obertor an der Augustinerstraße. Mit dem Wehr konnte der Wasserzufluß aus dem Erftmühlengraben in die beiden Nebengräben kontrolliert und gesteuert werden. Mit einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Technik kann mittels Kontergewicht bestehend aus einem horizontalen Betonbalken eine den Wasserzufluß regelnde Schütztafel auf und nieder bewegt werden. Das Wasser ergießt sich als Wasserfall über die Schütztafel hinweg in einen mehrere Meter unterhalb gelegenen Untergraben. Das stürzende vermittel einen Eindruck von der Wasserkraft, mit der hier im Mühlenquartier am Obertor 1785 12 Wasserräder angetrieben wurden.  

Literatur

  • Bömmels, Nicolaus: Wirtschaftsleben in Neuß von den Anfängen bis 1794. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Industrie- und Handelskammer zu Neuss 1861-1961, Neuss 1961
  • Kallen, Hermann-Josef: Die Neußer Industrien und ihre Unternehmer von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des ersten Weltkriegs, Diss Tübingen, 1973
  • Kreiner, Ralf: Städte und Mühlen im Rheinland. Das Erftgebiet zwischen Münstereifel und Neuss vom 9. Bis 18. Jahrhundert (=Aachener Studien zur älteren Energiegeschchte 5), Diss. Aachen 1995
  • Metzdorf, Jens: Die Straßen von Neuss, Neuss 2019 (2. Auflage)
  • Müller, Klaus: Rheinischer Städteatlas. Neuss, Köln 2010
  • Remmen, Karl: Neuss – „die Stadt auf den sieben Hügeln“, Köln 2004 (2. Auflage)
  • Saarbourg, Otto: Kraft des Wassers. Historische Anlagen zur Wasserlenkung in Neuss, in: Novaesium 2011. Neusser Jahrbuch für Kunst, Kultur und Geschichte, S. 277-283
  • Van Eyll, Klara: Caspar Thywissen 1839-1989, Neuss 1989

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