Hansamuhle Plangemuhle (Werhahn)

Geschichte

Ursprung des Werhahn-Konzerns: links der Holzhandel am Neusser Erftkanal, rechts die Dampfmühle Nix und Comp. Quelle: Bauakte Hansastraße 6-8, Stadt Neuss

Die Hansamühle wurde 1923/24 mit einer Jahreskapazität von 150.000 t Getreide als damals größte Anlage ihrer Art in Deutschland von der Wilhelm Werhahn KG errichtet. Der Familienkonzern war im 19. Jahrhundert unter Wilhelm Werhahn und seinen drei Söhnen in Neuss als Land- und Holzhandel mit Sägewerk sowie durch den Betrieb von Getreide- und Ölmühlen entstanden. In Neuss gehörte der Familie Werhahn die modern ausgestattete Dampf-Mühle Nix & Comp.

Umfangreicher Grundbesitz und laufende Einkünfte ermöglichte es der Familie trotz Inflation und Wirtschaftskrise, im Neusser Industriehafen eine moderne Großmühle zu errichten und damit ihr verstärktes Engagement in diesem Bereich einzuleiten, das erst 2014 endete. Dabei kam es in der letzten Phase zu einer mehrfachen Namens- und Unternehmensverflechtung, in deren Zusammenhang auch Markenrechte einzeln verkauft wurden.

Die Neusser Mühle firmierte zunächst als Hansa-Mühle; es folgten die Namen Werhahn, Plange und Diamant. Mit dem Erwerb der Plange-Mühlen und des bereits 1875 begründeten Warenzeichens Diamant-Mehl durch die Wilhelm Werhahn KG wurde auch die Hansamühle als „Plangemühle“ diesem Unternehmen zugeordnet. Heute ist das Nachfolgeunternehmen mit Firmensitz in Neuss als Zweigniederlassung der Premium Mühlen Gruppe GmbH & Co. KG Teil der Bindewald und Gutting Verwaltungs-GmbH.

Mühlengebäude

Kernzelle der Hansamühle. Briefkopf Werhahn KG, 1928. Quelle: Bauakte Hansastraße 6-8, Stadt Neuss

Das Mühlengebäude wurde von dem Braunschweiger, später in Bad Lobenstein/Thüringen ansässigen Architekten Otto Orlishausen entworfen, der auf eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Braunschweiger Mühlentechnik-Hersteller A. Luther zurückblicken konnte und auch bereits im Neusser Hafen für die Firma N. Simons & Söhne gearbeitet hatte. Damit konnte Orlishausen als Mühlenspezialist die technischen Abläufe bestmöglich in den Bau einbringen. Die Ausführung des Gebäudes wurde zwischen zwei Unternehmen geteilt: Den Stockwerksbau mit einem Volumen von 15.000 m³ Stahlbeton errichtete die seit 1921 als Aktiengesellschaft betriebene alteingesessene Düsseldorfer Firma Ernst Sandvoss AG den Siloteil die ebenfalls mit einer Niederlassung in Düsseldorf vertretene international bekannte Firma Wayss & Freytag, die dazu auch die Konstruktionspläne lieferte.

Die Mühle wurde kontinuierlich vor allem durch Silospeicher erweitert und umfassend technisch modernisiert. Die Schäden im Zweiten Weltkrieg blieben wohl überschaubar; am Bau erkennbar ist der Wiederaufbau der südlichen oberen Ecke des Stockwerksbaus.  

In der von Flach / Höhmann 2000 angefertigten Dokumentation über denkmalwerte Bauten im Hafenbereich (s. Quellen) werden auch der Kernbau der Hansamühle, die bis 1939 errichteten Silos, das Verwaltungs- und das Nebengebäude aufgeführt. Auch das inzwischen abgebrochene Kraftwerk und der Schornstein werden dort erwähnt. Da die Anlage noch in Betrieb ist, wurde von einer Eintragung in die Denkmalliste bisher abgesehen.

Hansamühle von der Hansastraße mit den über die Straße hinwegreichenden Verladeeinrichtungen. Im Vordergrund Sackverladung, dahinter die Saugverladung. Foto: Helmut Friedrichs, 2021

Beschreibung         

Der Bau liegt der westliche Rand des Hafenbeckens II, kurz vor dem südlichen Ende, wo sich die mit ihrem ersten Bauabschnitt schon 1922 fertiggestellte Teigwarenfabrik P. J. Schram befand. Zwischen dem Hafenbecken mit Böschung und der Mühle verlaufen ein Gleis der Neusser Eisenbahn sowie die öffentliche Hansastraße. Von Süden her reihen sich hier der Werkseingang mit Umfassungsmauer, das Verwaltungsgebäude, drei freistehende Silobauten und das eigentliche Mühlengebäude aneinander. Mehrere Verladeeinrichtungen: Sackverladung, Saug- und Beladerohre überqueren Straße und Gleis und stützen sich an der Uferböschung auf turmartige Stützen.

Zur 1923-24 in einem Zug hier errichteten Mühlenanlage zählen das Verwaltungs- und Wohngebäude, der Silobau 1 und der Stockwerksbau der Mühle, an dessen Rückseite sich das nicht erhaltene Kraftwerk mit Kesselhaus, Maschinenhaus und Schornstein befand. Während sich die eigentliche Mühle auf etwa 120 m Länge parallel zu Straße, Bahn und Hafenbecken erstreckt, schließt der Silobau I auf knapp 20 m Breite mit seiner turmartig überhöhten Schmalseite an. Entsprechend ist die Mühle nur etwa 20 m tief, während der Silobau mit seinem Zellentrakt etwa 50 m in die Grundstückstiefe reicht. Obwohl zwischen Mühle und Silobau ein mehrere Meter breiter Einschnitt trennt, wirken beide Bauten vor allem aus südwestlicher Richtung wie ein monumentaler Baublock, dessen Ecke durch den um mehrere Geschosse überhöhten Vorbau der Siloanlage betont wird. Während die insgesamt acht Geschosse umfassende Mühle und der Zellentrakt etwa 30 m hoch sind, steigt der Eckturm auf etwa 40 m in die Höhe. Durch die später im Süden hinzugefügten Silos wird diese Baugruppe noch erweitert.

Der Stockwerksbau der Mühle und der Silobau 1 sind sorgfältig vertikal und horizontal gegliedert. Dazu dienen vor- und zurückspringende Flächen, Gesimse, schmale Dachstreifen sowie die Fenster, die als leicht hochrechteckige Öffnungen, teilweise vertikal geteilt verwendet werden. Die 120 m des Stockwerksbaus sind durch zwei flache, übergiebelte Risalite in drei Abschnitte geteilt. So ergibt sich eine Achsenfolge von 6-4-9-4-6. Der Silobau übernahm in seiner Schmalseite die Stockwerksgliederung mit vier Achsen. Horizontal sind die acht Hauptgeschosse des Gebäudes in klassischer, zugleich schlichter Weise gegliedert: Über dem Erd- bzw. Sockelgeschosss erheben sich drei durch eine flache Lisenengliederung zusammengefasste Obergeschosse, für die das fünfte Geschoss als Abschluss anstelle eines Architravs dient. Die folgenden drei Geschosse sind durch knappe Dachansätze mit minimalem Rücksprung abgesetzt, bevor das flache Satteldach folgt. Die beiden Risalite verzichten auf durchgehende horizontale Teilungen; stattdessen sind die sechs unteren Geschosse in Breite der beiden mittleren Fensterachsen insgesamt deutlich zurückgesetzt. Oberhalb der Traufhöhe sind die Risalite in drei Gestaltung des oberen Gebäudeteils zitierende, kräftige, auch nach hinten fortgesetzte Kastenprofile gegliedert und mit einem nun freistehenden, nochmals nach oben verlängerten, flachen Dreiecksgiebel geschlossen. Ein vertikal geteiltes Rundfenster betonte ursprünglich die Mitte der Giebel. Der Kopfbau des Silotraktes ist vertikal gegliedert. Die vier Fensterachsen – heute weitgehend geschlossen – setzten sich deutlich von den Kanten ab. Die zusätzlichen drei freistehenden Obergeschosse des turmartigen Aufbaus sind wie die Obergeschosse am Stockwerksbau – etagenweise abgestuft und teilweise durchfenstert und werden mit flachem Pyramidendach abgeschlossen. Ursprünglich zeigte die Fassade des gesamten Baus wohl die natürliche Sandfarbe des Putzes (Foto von 1938!); nach dem Wiederaufbau wurde sie auf glattem Verputz weiß gestrichen.

Hansamühle. Ansicht von der Hansastraße mit Silogebäude im Vordergrund. Foto: Alexander Kierdorf, 2021. 

Der Stockwerksbau der Mühle sowie der Vorbau des ersten Silotraktes sind als Stahlbetonskelettbau konstruiert. Die Deckenfelder sind dabei durch Unterzüge getrennt. Auch sämtliche Dachtragwerke und Abdeckungen sind aus Brandschutzgründen in Stahlbeton ausgeführt. Im Mittelbau gibt es Lager- und Verarbeitungsbereiche; die ursprüngliche Mühlentechnik ist nicht mehr vorhanden, sondern wurde kontinuierlich modernisiert.

Im Jahre 1934 wurde südlich ein weiterer Silobau in Eisenbeton (Silo II) angefügt. Ausführende Firma war erneut Wayss & Freytag, Düsseldorf. Der Bau erhielt 10 Silos mit je 4 Zellen auf quadratischem Grundriß. Die Außengestaltung war nun rein funktional.

Wiederum im Süden – nun auf Höhe und in direktem Anschluss an das Verwaltungs- und Wohngebäude – wurde im Zuge systematischer Kriegsvorbereitungen 1938 nochmals ein Silospeicher angebaut (Silo III). Auftragnehmer war nun die Neusser Firma Adolf Gürtler, Eisenbetonbau und umfasste 19 Zellen zu je 546t und 1 Zelle zu 288t; ges.: 10650t. Der Bau folgte den Richtlinien der Hauptvereinigung der Deutschen Getreide- und Futtermittelwirtschaft und in luftschutztechnischer Hinsicht  den Richtlinien des Reichsministers der Luftfahrt vom 6. 3. 1936. Alle Außenflächen erhielten einen Putz aus 2 ½ cm starkem reinen Zementmörtel mit Ceresitzusatz, so dass Isolierung gegen Witterungseinflüsse gewährleistet war. Um das Gebäude so unauffällig wie möglich zu machen, wurden eine dunkle Dacheindeckung in Dachpappe und der dunkler Außenputz gewählt.

Verwaltungs- und Wohngebäude

Hansamühle.Büro- und Verwaltungsgebäude. Foto: Alexander Kierdorf, 2021 

Das Verwaltungs- und Wohngebäude südlich der Mühlenanlage setzt sich deutlich von dieser ab. Das dreigeschossige Backsteingebäude mit Walmdach (Architekten: Tietmann & Haake, Düsseldorf) liegt im rechten Winkel zur Straße und der parallel zu dieser verlaufenden Werkseinfahrt. Er ist an der Schmalseite durch drei und der Längsseite durch sechs gleich breite Fensterachsen gegliedert. Das Erdgeschoss ist unter Einschluss des nur teilweise versenkten Kellers absatzlos in glattem – wie die gesamte Fassade dunkel-geflämmtem – Backsteinmauerwerk ausgeführt und weist hochrechteckige, hell gerahmte Fensteröffnungen auf. Der Haupteingang liegt – heute durch einen modernen Pförtnerhausanbau größtenteils verdeckt – in der Mitte der Schmalseite. An der Längsseite befindet sich in der dritten Achse von Westen ebenfalls ein Eingang. Die beiden nur durch eine stehende Ziegelreihe abgesetzten Obergeschosse sind ausweislich der nun etwa quadratischen Fenster weniger hoch. An den Ecken ist durch lange, vorspringende Backsteinstreifen eine Quaderung angedeutet. Zwischen den äußeren Fenstern den Längsseite nach Süden finden sich Plastiken mit der Darstellung kauernder Figuren. Ein steiles, scharfkantiges Profil aus hell gefasstem Kunststein schließt die Obergeschosse rundum ab; dahinter verschwindet der Dachansatz. 

Ursprünglich besaß das Dach nur kleine Gauben.

Der vom Haupteingang aus zugängliche westliche Teil des Erdgeschosses nahm die Büro- und Verwaltungsräume auf. Dabei führt innen eine Treppe nach oben in ein durch Säulen gegliedertes repräsentatives Foyer, an das sich mehrere Büroräume anschließen. Der zweite Eingang an der westlichen Längsseite dient dagegen dem Zugang zu einem Treppenhaus, über das die Mitarbeiterwohnungen in den oberen Etagen erschlossen werden.

Zur Gesamtanlage der Mühle gehören außerdem Pforte und Werksmauer entlang der Hansastraße auf Höhe des Verwaltungsgebäudes sowie ein Brunnenpavillon südöstlich des Büro- und Wohnhauses, der der Wasserversorgung der Mühle, insbesondere der Anfeuchtung des Getreides vor der Verarbeitung diente.

Resumee

Die aufgrund ihrer Lage und Größe ganz auf Fernwirkung bedachte Gestaltung der Mühle steht in der Tradition des sogenannten Heimatstils. Seit den 1910er Jahren propagierte insbesondere die Heimatschutzbewegung die sorgfältige, landschaftsgerechte Gestaltung der Industriebauten. Während sich etwa das „Danziger Lagerhaus“ in Köln (Hans Verbeek, um 1910) an den Hafenbauten der Hansestädte orientiert, kommen als Vorbild für die Mühle in Neuss eher die Spinnmühlen des Spätbarock in Sachsen mit ihrer klassischen Baugliederung in Frage, die damals wiederentdeckt wurden (Werner Lindner, „Bauten der Technik“, 1927).

Die moderne Stahlbetonbauweise mit Skelettkonstruktionen ermöglichte dabei beliebige Architekturformen und Fassadengestaltungen. Erst später, mit dem Aufkommen der Internationalen Moderne, setzte sich der hier in den jüngeren Silokomplexen und dem Mühlenanbau der Nachkriegszeit sichtbare Funktionalismus durch.

Eine gewisse Trennung nach Bauaufgaben zeigt sich jedoch auch in Neuss: Während die eigentliche Mühle von Otto Orlishausen in enger Abstimmung mit dem Anlagenbauer A. Luther und dem Silospezialisten Wayss & Freytag gestaltet wird, lässt man das Verwaltungs- und Wohngebäude von dem angesehenen Düsseldorfer Büro Tietmann & Haake gestalten, dass hier ein Beispiel des oft in Material und Details exquisiten Niederrheinischen Backstein-Expressionismus liefert.    

Internet

de.wikipedia.org: Plangemühlen; Werhahn KG; Diamant Mehl (abgerufen 1.2.2022);  

Millioneninvestition sichert die Plange-Mühle in Neuss (wz.de)

Literatur und Quellen

  • Eyll, Klara von: Wilh. Werhahn, ein Familienunternehmen und seine Wirtschaft (überarb. Vortrag vom 08.05.2014 in Neuss in der „Bürgergesellschaft zu Neuss“) Novaesium; 2014, S. 79-102
  • Eyll, Klara von; Vorstand der Wilh. Werhahn KG (hg.): Wilh. Werhahn KG Neuss am Rhein Unternehmen und Unternehmer 1841 bis 2011, Neuss 2013
  • 175 Jahre Werhahn, in: Werhahn intern: Jubiläumsausgabe 01/2016, S. 16ff
  • Eyll, Neusser Mühlenindustrie seit 1871, Getreidemühlen, S. 79/80
  • Hausakten Stadt Neuss, Hansastraße 6-8
  • Höhmann, Rolf/ Flach, Franz Peter: Dokumentation von Anlagen im Neusser Hafen. Im Auftrag der Städtischen Hafenbetriebe Neuss, Juli 2000 Typoskript u. a. im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland

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