Haus Rottels

Geschichte

Die Adresse Oberstraße 58 – 60 in Neuss atmet Geschichte in ihrer großen Vielfalt:  Klosterleben – Produktionsstätte – Wohnhaus – Schützenmuseum. Dies sind vier markante Stationen auf dem Weg durch die Jahrhunderte, die sich hier ablesen lassen. Zum Teil allerdings nur noch in Spuren.

Geht man hinein die schmale Rottelsgasse, die von der Oberstraße Richtung Mühlengasse abzweigt, so trifft man auf Mauerreste, die von früher Besiedlung erzählen. Die Fratres Minores, die Minderbrüder, die an dieser Stelle im 13. Jahrhundert zunächst ein Kloster und später zur Oberstraße hin eine Kirche errichteten, hinterließen Mauerwerk aus Tuffsteinen und Basalt. Auch eine kleine Fensteröffnung dort stammt aus gotischer Zeit. Schön, dass diese Spuren erhalten sind, schließlich war das Neusser Minoritenkloster eine der frühesten Niederlassungen aus der Gefolgschaft des Franz von Assisi am linken Niederrhein. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts ging seine Zeit an diesem Ort aber zu Ende. 

Nach einer Entscheidung des Papstes übernahmen die Jesuiten das Kloster und setzten sogleich eigene Akzente. Sie gründeten mit einer Bildungsstätte für „männliche Zöglinge“ das erste Neusser Gymnasium. Es erfreute sich großer Beliebtheit, sein Ruf war glänzend. Doch ein Streit zwischen Papst Clemens XIV und den Jesuiten bereitete dem Orden in Neuss ein Ende. Heute erinnern lediglich das hohe Trachytfenster und der frühere Eingang zur Aula an dessen Präsenz. Nach der Auflösung des Ordens hatte Papst Clemens die Klosteranlagen zum Verkauf freigegeben. 

Ein Konsortium Neusser Ratsherren sah offenbar ein gutes Geschäft, erwarb die Anlagen und verkaufte die Steine als wertvolles Baumaterial mit kurfürstlicher Sondergenehmigung nach Holland. Das war im Jahr 1787. Die vermauerte Klosterpforte in der Rottelsgasse markiert bis heute das Ende von Kloster und Kirche. 

Damit begann eine neue Ära. „Auf dem Gelände vollzog sich der Sprung ins Maschinenzeitalter. 1820 wurde in der Schafwollfabrik Heinrich Thywissen und Sohn die erste Neusser Dampfmaschine in Bewegung gesetzt“, heißt es in historischen Quellen. 

Das Klosterareal war groß, ein weiteres Grundstück ist im Kataster-Umriss von 1811 auf den Namen Johann Peter Rottels (1747-1827) eingetragen. Dessen Familie war Ende des 18. Jahrhunderts aus Büttgen kommend, kurz vor dem Einmarsch der Franzosen, in Neuss ansässig geworden. Ab 1801/02 ist sie an der Oberstraße / Ecke Rottelsgasse als Seifensieder ansässig. Die Fabrikationsgebäude befanden sich auf dem hinteren Teil des Grundstücks zur Mühlengasse hin. Seit 1817 besaßen die Rottels zudem eine eigene kleine Ölmühle am Obertor, gleich neben dem Grundstück von Heinrich Thywissen, die vorwiegend als Rohstoffquelle für die eigene Seifensiederei genutzt wurde. 

Noch in kurkölnischer Zeit hatte Johann Peter Rottels das Privileg für eine Seifensiederei erworben, war 1791 von Kurfürst Maxilimian Franz zum Hofseifensieder ernannt worden und hatte auch zur Erstarkung der Neusser Wirtschaft in der Franzosenzeit beigetragen. 

Wie alte Quellen belegen, wollten auch die Rottels auf die Kraft der Dampfmaschinen setzen. Franz Gerhard Rottels (1780-1858) hatte in den 1850er Jahren um die Erlaubnis zur Errichtung einer 12 PS Dampfmaschine ersucht, auch eine Dampfmahlmühle sollte die Produktionsvielfalt der „Seifensiederei, Thran, Öl und Lichterhandlung“, von der ein Firmensignet aus dem Jahre 1856 kündet, erhöhen. Noch bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts ist die Seifensiederei der Familie Rottels in Neuss dokumentiert. Doch gegen die Konkurrenz der Stearin- und Paraffinkerzenproduktion konnten die Talglichter nicht bestehen. 

Von Michael Reschke – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4867550

Heute erinnert lediglich das ehemalige Wohnhaus, das eindrucksvolle „Haus Rottels“ an der Oberstraße 58 bis 60 an die glanzvollen Zeiten der Familie. Franz und Lars (Sohn von Johann Peter) Rottels hatten es Anfang des 19. Jahrhunderts bei dem Neusser Architekten und späteren Kreisbaumeister Stefan Hermkes in Auftrag gegeben. Hermkes war Schüler von Michael Leydel, der einer bekannten Architektenfamilie des Klassizismus angehörte. 

So wurde das Haus Rottels ein mit spätklassizistischen Schmuckformen gestaltetes und verputztes, dreigeschossiges und achtachsiges Zweifamilienhaus mit einer Toreinfahrt für Kutschen und Wagen in der Mitte, über die auch die Fabrikanlagen erschlossen werden konnten. Die zweigeschossige Fassade ist im Erdgeschoss rustiziert und klar gegliedert. Das Erdgeschoss wird durch ein Gesimsband nach oben abgeschlossen. Ein schöner Zahnschnittfries unterstreicht die Horizontalgliederung der Fassade und ziert auch den Dreiecksgiebel mit seinem Ochsenauge. Zwei Eingänge rechts und links von der Toreinfahrt deuten hin auf die Nutzung durch zwei Familien. Diese Zweiteilung des Hauses war zwischenzeitlich durch Umbauten der linken Haushälfte verloren gegangen. Eine behutsame, durch die Denkmalpflege begleitete Rekonstruktion (Eintragung in die Denkmalliste 1985) hat die alten Gestaltwerte wieder hergestellt.  Dazu gehört auch ein großer Saal im Zentrum des Hauses über der Toreinfahrt. Im Verlauf seiner Nutzungsgeschichte war er durch eine Zwischenwand getrennt worden. Ursprünglich wohl für gemeinsame festliche Anlässe der beiden Familien genutzt, ist er nun wieder in seiner ganzen Ausdehnung erlebbar. 

Das Haus Rottels ist ein Zeugnis solider Wohlhabenheit. Derartige Doppelhäuser im gehobenen bürgerlichen Mittelstand gab es häufiger. Sehenswert sind die erhaltenen Beispiele in Remscheid und Kreuzau bei Düren. Das Haus in Kreuzau wurde für zwei Hoesch-Familien gebaut und ist heute einer der schönsten Stammsitze der Hoeschs in der Eifel. In Remscheid-Hasten wurde das Haus Hilger bzw. Cleff als Doppelwohnhaus errichtet. Es hat, wie das Haus Rottels, im Obergeschoss einen von beiden Seiten zugänglichen Festsaal. ES gehört heute zum Deutschen Werkzeugmuseum, ist zu den üblichen Öffnungszeiten zugänglich und bietet eine interessante Vergleichsmöglichkeit zum Haus Rottels. 

Auch das Haus Rottels wird seit 2004 museal genutzt. Der Neusser Schützenverein, die Stadt Neuss und der Rheinkreis Neuss haben an historischem Ort im Haus Rottels eine einmalige Forschungs- und Dokumentationsstelle für das Schützenwesen im gesamten Rheinland geschaffen. Mit seiner umfangreichen Sammlung im ebenfalls dort beheimateten Neusser Schützenmuseum erweist das Haus Rottels dem Neusser Bürgerstolz die Ehre. 

Öffnungszeiten: mittwochs von 11 bis 17 Uhr, sonntags von 11 bis 14 Uhr 

Karte

Oberstraße 58
41460 Neuss