Maschinenfabrik Reinartz

Geschichte

Das schmale Wohnhaus auf der Mühlenstraße 47 hat seine Existenz über die Jahrzehnte hinweg erfolgreich behauptet. Es steht da, drei Stockwerke hoch mit seiner reich verzierten Backstein-/Putzfassade und fällt in der schmalen Wohnstraße sogleich ins Auge. Wie ein stolzer Zeuge vergangener Zeiten leuchtet es aus dem Grau seiner eher nüchternen Nachbarschaft heraus.

Der Schlosser Mathias Reinartz hatte hier im Jahr 1866 sein Wohnhaus und seine Werkhallen errichten lassen. Seit dem 12. Dezember 1991 steht das Gebäude unter Denkmalschutz, denn diese enge räumliche Verflechtung von Wohnung und Arbeitswelt eines „Fabrikanten“, wie es in der Kurzbegründung der Denkmaleigenschaft heißt, war typisch für die Gründerzeit. In der Neusser Innenstadt ist sie aber nur noch an ganz wenigen Beispielen erhalten:


Auch die von Hermann Franz im Jahr 1909 errichtete Werkhalle für seine Maschinenfabrik und Mühlenbauanstalt zwischen Büttger Straße / Breite Straße mit seinem Wohnhaus gleich nebenan ist eines der letzten erhaltenen Beispiele für das Nebeneinander von kleineren Gewerbebetrieben und innerstädtischem Wohnquartier.

Das Unternehmen des Hermann Franz produziert schon seit den 90er Jahren nicht mehr hier. Heute ist eine Kindertagesstätte aktueller Mieter. Doch die Halle mit der verglasten Obergadenzone, ihrem schönen, geschweiften Giebelaufsatz und der schmückenden Putzrahmung ist hinter einer aufwändig gestalteten Einfriedungsmauer von 1911 noch zu sehen. 


Mathias Reinartz

Auch der Schlosser Mathias Reinartz muss Wert gelegt haben auf frühe Repräsentanz. Schaut man sich die Fassade des dreiachsigen Hauses an der Mühlenstraße 47 mit seinem traufständigen Satteldach an, so lässt sich bereits in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wirtschaftlicher Erfolg und Fabrikantenstolz ablesen, der in den 13 Jahren seit Gründung seines Betriebs entstanden sein muss. 

Vor allem die Bel Etage hat sich opulent herausgeputzt. Die hohen schlanken Fensterreihen mit ihren leicht abgerundeten Ecken schmücken sich mit aufwändiger Putzrahmung und reich verzierten Brüstungsfeldern. Auch die beiden Segmentbogengiebel in der Außen- wie auch der Sprengbogengiebel in der Mittelachse sowie die konsolartigen Schlussteine über den Wandöffnungen spiegeln mit ihrem ornamentalen Reichtum die Kunst der zeitgenössischen Stuckateure wieder. 

Das zweite Obergeschoss gibt sich bescheidener. Auch hier setzt sich der Sichtbackstein fort, die Putzrahmung der Fenster wird knapper, die der Gebälkverdachung ebenfalls. Drei kreisförmige Mezzaninfenster betonen abschließend wie kleine I-Punkte die elegante Wirkung der Fassade, die klar strukturiert wird durch ihre drei Gurtgesimse. Das abschließende Kranzgesims ist nicht mehr erhalten.

Wie im Stadtarchiv nachzulesen ist, gingen aus der Schlosserei an der Mühlenstraße die Maschinenfabriken von Mathias und Johann Reinartz hervor. Letztere beschäftigte 1889 bereits 24 Mitarbeiter, Mathias Reinartz im selben Jahr 19 und 1925 39 Arbeiter. Aus seiner kleinen Firma an der Mühlenstraße ist eine Fabrik geworden, die seit 1913 im Neusser Hafen ansässig ist und sich auf Maschinen für die Ölproduktion spezialisiert hat, wie das Unternehmen in seiner Firmenchronik ausführt. 

Von den ehemaligen Werkhallen der Schlosserei ist lediglich die 1-2-geschossige repräsentative Sichtbacksteinfassade erhalten, die auf der Rückseite des Wohnhauses vom Stadtgarten aus zu entdecken ist. Auch hier hat der Zeitgeist seine Spuren hinterlassen. Lisenen, aufwändige Gesimsbänder und Wandöffnungen mit Segmentbögen gestalten heute noch die Reste der früheren Schlossereifassade. Die in der Mittelachse gelegene ehemalige Schmiedefeuerstelle ist allerdings nur durch einen erkerartigen Schornsteinkopf von außen zu erkennen.

Sehr gut erhalten ist dagegen die Halle an der Industriestraße 14 im Hafen, in die die Firma Reinartz im Jahr 1913 umzieht. Das Gebäude an der Mühlenstraße ist damals bereits zu klein. „Die Industrie verlangt immer größere und leistungsfähigere Maschinen. Die moderne Fabrik bietet die Möglichkeit, innovative Lösungen zu entwickeln und zeitgemäße Maschinen zu produzieren“, wird der Ortswechsel in der Firmenchronik erklärt.  

Geradezu zeitlos wirkt der schlichte graugelbe Ziegelbau mit seinem breit ausladenden Satteldach, unter dem sich ein, von vier hohen schlanken, übergangslos in die Fassade hineinreichenden Segmentbogenfenstern gegliederter Giebel befindet. Ein schmuckloser Mittelrisalit aus hellrotem Backstein bedeckt die beiden mittleren Fenster zur Hälfte und trägt das große Werkstor über dem viele Jahre lang mittig der Schriftzug Reinartz stand. Die weitere Fassadengestaltung war von Anfang an zurückhaltend ausgeführt. Zwei Lisenen trennen die hohen, fast kathedralenartigen Fenster von weiteren kleineren benachbarten Fensterreihen.

Seit 1913 ist die Werkhalle der Firma Reinartz eines der markantesten Gebäude im Neusser Hafen und stummer Zeuge steter Unternehmensentwicklung. In ihren Grundzügen hat sie die Jahrzehnte fast unverändert überdauert. Das blitzblaue Werkstor ist allerdings neueren Datums. Und der Schriftzug Reinartz prangt inzwischen weithin sichtbar hoch oben im Giebel. 

Karte

Maschinenfabrik Reinartz Wohnhaus
Mühlenstraße 47
41460 Neuss