Nordkanal – Kanal- und Brückenwärterhaus

Geschichte

Entlang der Trasse des „Grande Canal du Nord“ waren insgesamt 17 Kanal- und Brückenwärterhäuser geplant. Auf dem Stadtgebiet von Neuss sollten insgesamt vier dieser Häuser entstehen. Je eins war an den beiden Schleusen am Hafen in Grimlingen vorgesehen, eins an der Kreuzung des Kanals mit der Bergheimer Straße am heutigen Friedrich-Ebert-Platz und eins an der ehem. Kreuzung des Kanals mit der Straße nach Köln.

Nach seiner „Descriotion“, der Beschreibung der Kanalbaumaßnahem und deren Nebenanlagen, beabsichtigte der Planer des Kanals Aimable Hageau die Häuser nach einem einheitlichen Entwurf zu gestalten. Über einem 10 x 17 m messenden Grundriss sollte sich ein zweigeschossiges Backsteingebäude mit einem Satteldach erheben. Die nördliche Hausseite stand mit ihrem Erdgeschoss in die Kanalböschung, sodass das Gebäude vom Kanal aus als eingeschossig wahrgenommen wurde.

Grundriss des Kanalwärterhäuschens am Scheibendamm nach einer Bauaufnahme von 1977. Der linke Teil (Anbau) wurde später errichtet. Quelle: Almanach für den Kreis Neuss 1979, S. 142

Über eine durchgehende Treppe wurden die Häuser erschlossen. Im Erdgeschoss sollten Ställe, eine Werkstatt und Nebenräume untergebracht werden. Das Obergeschoss diente als Wohnung für den Kanal- oder Schleusenwärter. An einen großen Küchen- und Wohnbereich mit Backofen und einem kleinen Nebenraum schloss sich ein separates Schlafzimmer an. Durch einen liegenden Dachstuhl wurde ein großer ungeteilter Raum im Dachgeschoss möglich. Die auftretenden Kräfte der beiden Stühle wurden auf zwei Zugbalken übertragen, deren Anker in der Fassade sichtbar waren.

Ob Hageau sich bei dem Entwurf seiner Kanal- und Brückenwärterhäuser an den Entwürfen von Claude-Niclas Ledoux orientiert hat, ist denkbar. Insbesondere die Grundrisse der später ausgeführten Häuser entsprechen den Häusern, die Ledoux für die Zimmerleute in seinem Entwurf der utopischen Salinenstadt Chaux konzipiert hatte.

Claude-Nicolas Ledoux, L’architecture considérée sous le rapport de l’art, des moeurs et de la législation. Plan 8. Paris 1804. Der abgebildete Grundriss für das Haus der Zimmerleute entspricht in seiner Konzeption den Brücken- und Kanalwärterhäusern entlang des Nordkanals

Von den geplanten 17 Brücken- und Kanalwärterhäuschen wurden während der Bauzeit am Kanal (1809-1811) nur wenige fertiggestellt. Der verbliebene Bestand zeigt, dass die Häuser in ihrer Geschossigkeit und der Behandlung der Fassaden durchaus unterschiedlich ausgeführt wurden.

Ein Gebäude in der von Hageau dargestellte zweigeschossigen Bauform steht heute noch in leicht veränderter Form in Straelen-Niederdorf, Schlousweg 5. Mit den Häusern in Viersen, Antwerpener Platz 1 und in Neuss im Kreuzungsbereich Scheibendamm / Kölner Straße 1 habe sich zwei eingeschossige Exemplare erhalten. Ein weiteres in Willich-Neersen an der Straße von Gladbach nach Krefeld wurde noch vor einigen Jahren abgebrochen.

Das Brückenwärterhäuschen an der Kölner Straße hat sich weitgehend original erhalten. Es wurde auf einer Verbreiterung des Kanalseitendamms an der Brücke der Kölner Straße über den Nordkanal, dessen Verlauf heute durch den Scheibendamm markiert wird, errichtet. In seinen Abmessungen und seiner Grundform entspricht es den Vorgaben A. Hageaus.

Ansicht des Kanalwärterhauses Kölner Straße 1 in Neuss. Rechts die Handschwengelpumpe. Foto: Helmut Friedrichs

Im Detail und in der Grundrissaufteilung weicht es jedoch leicht ab. Der kompakte Baukörper aus Feldbrandsteinen ruht auf einem Basaltsteinsockel und wird durch eine Eckquaderung aus dem gleichen Material gefasst. Die Gewände der rundbogigen Tür- und Fensteröffnungen, sowie das leicht auskragende Dachgesims bestehen aus Tuffstein, die Fensterbänke wiederum aus Basalt. Das Dach mit einer kleinen mittig angeordneten Gaube ist mit Schiefer gedeckt. Der Grundriss des Hauses zeigt eine symmetrische Aufteilung. Von einem Mittelflur, in dessen Achse das Treppenhaus liegt, werden beidseitig zwei große Räume erschlossen. An den Lang- (Giebel-) seiten ist jeweils ein Kaminzug angeordnet. Folgt man der Grundkonzeption Hageaus, diente der linke Raum als Küche und Aufenthaltsraum, der rechte als Schlafzimmer.

Kanal- und Brückenwärterhaus: Auschnitt einer Karte mit Kanal, Brücke und einem Canalhäusgen, 1823
Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland
RW Karten / RW Karten, Nr. 673 – a

Das Gebäude wurde in den 1970er Jahren von der Hochbauverwaltung der Stadt restauriert und erhielt eine neue, dem Original entsprechende Holzbalkendecke. Zu Unterbringung der Sanitärräume und der Küche wurde ein kleiner, flachgedeckter Anbau an der Ostseite angefügt. Nach den Baumaßnahmen wurde das Gebäude verkauft und dient heute wieder als Wohnhaus.

Im Eingangsbereich des Hauses steht eine 3, 5 m hohe Handschwengelpumpe, die ursprünglich zur Wasserversorgung des Kanalwärters dienen sollte. Sie wurde 2007-08 durch Auszubildende der Neusser Energie und Wasser GmbH saniert.

Literatur:

  • Hans Scheller, Der Nordkanal zwischen Neuss und Venlo, Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss, Bd. 7, Neuss 1980
  • Margit u. Heinz Leuders, Das Kanalwärterhaus in Neuss, in: Almanach für den Kreis Neuss 1979, S. 142
  • Dr. Ulrich Stevens, Eintragungstext zu dem Brückenwärterhaus in Viersen. Aufgerufen am 13.12.2021 unter www.viersen.de/de/denkmal/brueckenwaerterhaus-nordkanal
  • Kaster, Klaus Karl: Die Restaurierung der Pumpe am Kanalwärterhaus, in: Novaesium 2010, S. 227-232
  • Saarbourg, Otto: Das Neusser Kanal- und Brückenwärterhaus. Ein Denkmalensemble am napoleonischen Nordkanal in Neuss, in: Novaesium 2010. Neusser Jahrbuch für Kunst, Kultur und Geschichte 2010, Neuss 2010

Abbildungen:

Nordkanal mit den beiden Kanal- und Brückenwärterhäuschen im Stadtgebiet von Neuss. Unten rechts das Haus an der Kölner Straße. Quelle: Aufnahme der rheinischen Gebiete durch französische Ingenieurgeographen unter Oberst Tranchot 1803-1813 und durch preußische Offiziere unter Generalmajor Freiherr von Müffling 1816-1820. Blatt 44 – Düsseldorf, Ausschnitt Neuss

Karte

Köln Straße 1
41464 Neuss