Postamt Neuss (alte Post)

Geschichte

Das Recht Posteinrichtungen zu gründen und zu betreiben war seit dem Ende des 16. Jh. ein kaiserliches Hoheitsrecht, das dem Haus Thurn und Taxis als Lehen übertragen wurde. Erst Die Arbeit eines Posthalters war bis ins 19. Jh. hinein eine Nebentätigkeit und das Postlokal eine Räumlichkeit, die in dem Wohnhaus des jeweiligen Posthalters oder in einem anderen Gebäude angemietet wurde. So befand sich Anfang des 18. Jh. das Postlokal im Zunfthaus in der Nähe des Marktes, zog 1778 in das neu erbaute Gebäude des damaligen Postmeisters Peter Joseph Nepes in die Oberstraße 15 -heute Stadtarchiv- und wurde nach dessen Tode 1834 an den Marktpatz verlegt.

Mit der Gründung des Deutschen Reiches nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde die Post zu einem einheitlich organisierten Staatsunternehmen. Mit der Leitung der „Kaiserlichen Post“ wurde Heinrich Stephan als Generalpostmeister betraut, der nach 1873 überall im Reichsgebiet repräsentative Dienstgebäude errichten ließ.

Für die zahlreichen Neubauvorhaben der Reichspost wurde Mitte 1875 eine eigene Bauabteilung gegründet. Mit der Leitung der Behörde betraute Heinrich Stephan den „Oberberg- und Baurat“ August Kind (1824-1904). Kind war nach einer Ausbildung an der Preußischen Bauakademie als Privat- und Kreisbaumeister in Wesel, Essen und später in Marienwerder tätig. Im preußischen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, in dem er seit 1870 u.a. für den Bereich der Berg-, Hütten- und Salinenwerken u.a. zuständig war, widmete es sich der Entwicklung standardisierte Grundrisse für die staatlichen Betriebe.

Als neuer Leiter der Bauabteilung oblag ihm die Aufsicht und Planung der Bauvorhaben der Post im gesamten Reichsgebiet. In der Regel erstellte er die planerischen Vorgaben und legte die Grundrissgestaltung der Gebäude fest. Auf die architektonische Gestaltung, die oft von örtlichen Architekten übernommen wurde, hatte er ebenfalls einen starken Einfluss.

Der Ausführung und der architektonischen Wirkung der Neubauten wurde nämlich eine wichtige Aufgabe bei der Repräsentation des neuen Reiches in den Städten beigemessen. Die Neubauten sollten „… in gutem, echtem Material und möglichst in Anlehnung an den besten örtlichen Baustil, immer aber so ausgeführt werden, daß sie für die Bauhandwerker des Ortes als Anleitung und Vorbild für die Ausübung ihres Gewerbes dienen und andere Bauunternehmer zur Nacheiferung anreizen konnten“. Die Architektur neuen Postgebäude wurde mit Vorliebe in den Formen der Neo- oder Deutschen-Renaissance ausgeführt. Diese Stilrichtung galt als äußerst repräsentativ und unterstrich die „Wiedergeburt“ der Reichsidee.

Für einen entsprechenden Neubau wurde in Neuss bereits um 1873 von der Reichspostverwaltung ein Bauplatz an der Promenade ein repräsentatives Grundstück angekauft. Das zweigeschossige Gebäude entstand in den Jahren 1878/79 nach Plänen der Bauabteilung der Reichspost unter Leitung von August Kind und wurde am 1. Juli unter Beisein des Generalpostmeisters feierlich eröffnet.

Die Architektur des Neubaus orientierte sich auch hier, wie bei dem zeitgleichen Neubau in Duisburg-Ruhrort, an Vorbildern der sog. „Deutschen Renaissance“, einem Baustil, der auch von dem Generalpostmeister Heinrich Stephan bevorzugt wurde. Es entstand ein breit gelagerter Baukörper mit einer 7-achsiger Front.

Über einem rustizierten Sockelgeschoss wurde ein als Piano nobile gestaltetes Obergeschoss mit Klinkerfassade und Eckquaderung errichtet. Der Bau erhielt eine Gliederung durch Stock-, Brüstungs- und ein ausladendes Kranzgesims mit aufgesetzter Attika.

Die Mittelachse wurde durch ein reich gestaltetes Eingangsportal, einen Balkon im 1. OG sowie einen Ziergiebel mit dem Reichsadler betont. Portraitbüsten des Kronprinzen Friedrich III. und des damals amtierenden Kaisers Wilhelm I. an der Ost- und Westseite des Gebäudes verwiesen auf den offiziellen Charakter des Gebäudes und auf die Reichsgründer.

Das Gebäude wurde in den 1930er Jahren und 1954 „modernisiert“ und erhielt eine neue Schalterhalle und einen neuen Eingang. Mit der Eröffnung der neuen Hauptpost am Theodor-Heuss-Platz im Jahre 1985 verlor die Alte Post ihre ursprüngliche Funktion. Im Mai 1986 wurde der Vorschlag der Neusser Verwaltung, das Gebäude zu einem Kulturforum umzubauen, angenommen.

Der historische Eingangsvorbau, die Attika und der bekrönende Reichsadler über der Eingangsachse wurden wahrscheinlich bei der Renovierung in den 1950er Jahren, oder aber bereits in den 1930er Jahren entfernt.

Die Pläne zur Umgestaltung wurden in den Jahren 1987/89 umgesetzt, wobei das Gebäude vollständig entkernt und nur noch die Außenwände stehen blieben.

Literatur:

  • Huck, J., Postgeschichtliche Streiflichter aus Neuss, in: Postgeschichte am Niederrhein, Heft 1 /1979 , Wuppertal 1979
  • Agnes Seemann: Die „Postpaläste“ Heinrich von Stephans. Zweckbauten für den Verkehr oder Architektur im Dienste des Reiches? Diss. Kiel 1990

Karte

Promenadenstraße/Neustraße 28
41460 Neuss