Rheinische Schrauben- und Mutternfabrik AG, Bauer und Schaurte

Geschichte

Die „Rheinische Schrauben und Mutternfabrik Bauer & Schaurte“ wurde am 12. Juli 1876 in das Handelsregister beim Amtsgericht Neuss eingetragen. Der aus Köln stammende Georg Bauer kümmerte sich vorrangig um die kaufmännischen Angelegenheiten während sich Christian Schaurte, der aus dem Sauerland nach Neuss kam, sich den technischen Angelegenheiten der Firma widmeten.

Die Schraubenproduktion begann zunächst in der Schraubstockfabrik von Philippe Koch auf einem schmalen Grundstück hinter dem Bahnhof am Weißenberger Weg. Durch den Zukauf benachbarter, noch weitgehend landwirtschaftlich genutzter Grundstücke zwischen 1879 und 1884 wurde das Fabrikgelände bis zur Zufahrtstraße erweitert. Der Ausbau der Fabrik konnte in dieser Zeit trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten infolge der sog. „Gründerkrise“ Mitte der 1870er Jahre kontinuierlich fortgeführt werden. Bis Ende des Jahrhunderts wurde nahezu das gesamte Karree zwischen Further Straße, Weißenberger Weg und Zufahrtstraße aufgekauft und insbesondere in den Jahren 1893/94 bebaut. Mit 563 Mitarbeitern war die Firma um die Jahrhundertwende der größte Arbeitgeber in Neuss.

Anzeige in „Stahl und Eisen“ Dezember 1891

Nach der Jahrhundertwende konnten die westlich angrenzenden Grundstücke bis zur Josefstraße und die dort vorhandene Sauerkrautfabrik aufgekauft werden. Auf dem Gelände mit einer Gesamtfläche von 23 Morgen entstand in verschiedenen Bauabschnitten die sog. „Neue Fabrik“. Durch einen eigenen Gleisanschluss erschlossen, entstanden großflächige Montagehallen und ein eigenes Kraftwerk mit Hochbunker und Schonstein. Im Zuge dieser groß angelegten Ausbaumaßname wurde 1909 auch die Verwaltung vom Weißenbergerweg an die Further Straße 24/26 in das repräsentative Hauptgebäude der ehem. Sauerkrautfabrik verlegt.

Foto: Stadtarchiv Neuss

Nach dem Tod der beiden Firmengründer, Georg Bauer starb 1906, Christian Schaurte 1917, übernahm Werner T. Schauerte das Unternehmen. Die Firma hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine führende Rolle im Bereich der Schraubenherstellung und der Normung der einzelnen Werkstücke übernommen. Zu einer Zeit, wo in der Regel jede Schraube nur mit der speziell für sie hergestellten Mutter als brauchbares Verbindungselement eingesetzt werden konnte, hatte die Behauptung von Christian Schaurte „Auf jede meiner Muttern paßt jede meiner Schrauben“ etwas revolutionäres.

Werner Schaurte setzte die Bemühungen seines Vaters um die Vereinheitlichung und Normung von Gewinden und Muttern fort. Die Einführung von DIN-Normen 1924 für Schrauben stellte daher für die Firma kein Problem dar. Ab 1927 erhielten die jetzt hochfesten Schrauben eine Kopfkennzeichnung. Unter der Markenbezeichnungen wie Verbus (Vergütete Außensechskantschraube Bauer und Schaurte), Durbus, Robus und Sobus konnten die bis dahin „anonymen“ Werkstücke jetzt einer Firma zugeordnet werden. Die bekannteste Entwicklung war vielleicht die 1936 auf den Markt gebrachte Inbus (Innensechskantschraube Bauer und Schaurte) – Schraube.

Die Rheinische Muttern- und Schraubenfabrik entwickelte sich in den 1930er Jahren zu einem nationalsozialistischen Vorzeigeunternehmen. Werner T. Schaurte, selbst Mitglied der SA und der NSDAP rief bereits 1933 einen betriebseigenen SA-Sturm ins Leben und konnte 1937 mit seinem Unternehmen an der Weltausstellung 1937 in Paris teilnehmen.

Als Zulieferer der Maschinenbau-, Fahrzeug- und Rüstungsindustrie erlebte die Firma einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Neben der Produktion von Schrauben und Muttern wurden in dem Werk u.a. auch die Pleuelstangen für den KdF-Wagen (später Volkswagen) entwickelt. Während des Krieges konnte die Firma unter dem Einsatz mehrere tausend Zwangsarbeiten und an verschieden Standorten (u.a. im besetzten Metz und in einem geheimen unterirdischen Werk im Harz) die (Rüstungs-)Produktion nochmals erheblich ausweiten. Mit einer Belegschaft von nahezu 10.000 Beschäftigten erreichte das Werk mit seinen zahlreichen Zweigniederlassungen 1942/43 seine größte Ausdehnung.

Der wirtschaftliche Erfolg in den 1930er Jahren dokumentierte sich auch im Ausbau der Verwaltungsgebäude, die an der Further Straße entstehen sollten. Nach den Plänen des Düsseldorfer Architekten Willy Friedrichs wurde 1938 mit Neubau eines Verwaltungs- und Direktionsgebäudes begonnen, das über eine repräsentative Ehrenhalle erschlossen werden sollte. Die vollständige Umsetzung der Bauabsichten wurden jedoch anscheinend zu Beginn des Krieges unterbrochen.

Die Fabrikhallen und Verwaltungsgebäude in Neuss wurden insbesondere während der letzten Kriegsjahre zu etwa 65% zerstört. Von den Zerstörungen waren hauptsächlich die Gebäude der „Alten Fabrik“ im Bereich des Hauptbahnhofes betroffen, von denen nur einzelne Bauten wieder hergestellt wurden. Nachdem das Werk in Neuss 1945 nach dem Einmarsch der Amerikaner stillgelegt worden war, erhielt die Firma bereits 1947 erneut eine Produktionsgenehmigung. Die westlichen Montagehallen der „Neuen Fabrik“ konnten weitgehend instandgesetzt und ergänzt werden. Das Verwaltungsgebäude an der Further Straße wurde erst 1951, als die Fertigung ausschließlich in Neuss konzentriert wurde, saniert.

Im Rahmen des Wiederaufbaus und des wirtschaftlichen Aufschwungs ab den 1960er Jahren konnte das Familienunternehmen, das seit 1951 unter der Leitung von Christian W. Schaurte stand, in großem Maßstab prosperieren. Das freigeräumte Gelände der „Alten Fabrik“ wurde mit Montagehallen neu bebaut und das Verwaltungsgebäude ab 1961 um- und ausgebaut.

Die Fusion mit den saarländischen Schraubenwerken Karcher beendete 1980 die Ära der Firma Bauer & Schaurte als Familienunternehmen. Als ein Tochterunternehmen der Saarstahl AG ist die Firma BSK (Bauer, Schaurte, Karcher) 1993 von der Insolvenz des Mutterkonzerns betroffen. Verkäufe und zahlreiche Übernahmen in den folgenden Jahren führten nicht zu dem erhofften Erfolg, sodass der Standort Neuss (seit 2013 Teil des US-Konzerns Whitesell) 2015 geschlossen wird.

Der vorhandene Gebäudebestand auf dem 6,5 ha großen Gelände wurde in den in den folgenden Jahren bis auf das Kraftwerk mit dem markanten Schornstein und einer Sheddachhalle abgebrochen. Die beiden historischen Relikte einer mehr als 150-jährigen Industrietradition sollen als zentrale Bauten in eine Grünanlage integriert werden, die das Zentrum eines Neubauareals darstellt. Zur Realisierung dieses Vorhabens wurde 2018 ein Wettbewerb ausgelobt, der von der Arbeitsgemeinschaft Konrath und Wennemar Architekten Ingenieure, Düsseldorf, sowie FSWLA Landschaftsarchitektur (jetzt studio grüngrau), Düsseldorf gewonnen wurde.

Literatur:

Lageplan zum „Concesionsgesuch“ vom 18.Mai 1878 für einen zweiten Dampfkessel, mit der Einzeichnung der Fabrikationsgebäude der sog. „Alten Fabrik“ am späteren Weißenberger Weg. Stadt Neuss, Bauaktenarchiv
Perspektivischer Lageplan mit dem Ergebnis des Wettbwerbs zur Neubebauung des Grundstücks der Rheinischen Schrauben- und Mutternfabrik. In dem zentralen Grünzug das ehem. Kraftwerksgebäude und die erhaltenen historischen Shed-Hallen. Foto: Stadt Neuss

Karte

Further Straße/Zufuhrstraße/Weißenberger Weg
41462 Neuss