Walter Rau Neusser Öl und Fett AG

Geschichte

1929 übernahm der westfälische Margarinehersteller Walter Rau die Ölmühle der Firma N. Simons, die zu den ersten Ansiedlungen im 1903 begonnenen Neusser Industriehafen gehört hatte. Die jüdische Familie Simons betrieb bereits im 19. Jahrhundert mehrere „Dampfmühlen“ in Neuss und besaß an der Friedrichstraße ein stattliches gründerzeitliches Palais. Die erste Ölmühle gründete sie 1887.

Im Neußer Hafen errichtete sie ab 1904 eine heute nur noch in kleinen Teilen (siehe Ölmühle C. Thywissen) erhaltene Getreide-Großmühle zwischen Hafenbecken 1 und Industriestraße, die neben dem vergleichbaren Speicher der Lagerhausgesellschaft das Bild des Hafens in den ersten beiden Jahrzehnten wesentlich mit prägte.

In den späten 1920er Jahren geriet die Familie in wirtschaftliche Schwierigkeiten und trennte sich von ihren Betrieben. Die Ölmühle in der Industriestraße einschließlich des Verwaltungsgebäudes erwarb der Unternehmer Walter Rau, der in Hilter zwischen Osnabrück und Bielefeld eine Margarineproduktion betrieb. Mit der Neusser Ölmühle konnte er selbst in Import und Verarbeitung von Rohstoffen einsteigen. In den 1930er Jahren, als die Fettversorgung als eine wesentliche Grundlage der deutschen Nahrungsmittelversorgung staatlich reguliert und in die Kriegsvorbereitung einbezogen wurde, ließ Rau eine eigene Walfangflotte bauen. Andere Unternehmen charterten etwa norwegische Schiffe.

Die Öle und Fette werden heute ausschließlich aus pflanzlichen Rohstoffen wie Raps- und Rübensaat, Sonnenblumenkernen, Sojabohnen, Palmöl und – zumindest früher – dem Kokosfleisch Kopra gewonnen. Zur maximalen Ausbeute werden verschiedene mechanische und chemische eingesetzt.

Beschreibung

Walter Rau Öle und Fette, Ölmühle N. Simons, Industriestraße, Gesamtansicht, Quelle: Deutsche Ölmühlenindustrie, 1925

Die Firma ist beheimatet an der Industriestraße zwischen den Hafenbecken 1 und 2 unmittelbar gegenüber ihrem Konkurrenten C. Thywissen.

Grundlage bildeten die 1929 übernommenen Betriebe der Firma N. Simon Söhne: Walzenmühle und Ölmühle. Die Walzenmühle befand sich am Hafenbecken 1 nördlich der Thywissen-Mühle. Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg wurde sie zunächst wieder aufgebaut und erweitert, vor wenigen Jahren jedoch endgültig abgebrochen. Erhalten ist ein Siloflügel der Mühle zur Industriestraße, unmittelbar an der südlichen Grundstückskante gelegen, dessen Behälter nun für Raps genutzt werden.

Walter Rau Öle und Fette AG, Ansicht von Osten am Hafenbecken 2, Foto: Friedrichs, 2021

Der Rest des Geländes ist mit Tanks bestanden. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt das villenartige, nur zweigeschossige ehemalige Verwaltungsgebäude der Weizenmühle, ein Putzbau mit Stuckfassaden im Stil der Neorenaissance, das 1908 durch den Düsseldorfer Architekten Franz ## errichtet wurde.

An dieses unmittelbar nach Norden angebaut ist das dreigeschossige Verwaltungebäude der ehemaligen Ölmühle der Firma N. Simons, das 1912 als Stahlbetonbau von der Kieler Baufirma Weirich & Reincken errichtet wurde. Dahinter befand sich die ebenfalls 1929 von Walter Rau übernommene Ölmühle. Im Laufe der Zeit dehnte sich die Firma Walter Rau durch Übernahme freiwerdender Nachbargelände im Hafengebiet aus, wo sie gegenüber von Thywissen das geräumige Gelände der ehemaligen Hammer- und Eisenkonstruktionsfirma Wilhelm Josten & Cie erwerben konnte.

Deren um 1905 errichtetes Verwaltungsgebäude bildet heute den Auftakt des Walter-Rau-Geländes. Die Verladeanlagen befinden sich in den Hafenbecken 1 und 2, in letzterem gegenüber der ehemaligen Hansamühle. Dort stehen auch die – neben den Verwaltungsgebäuden – ältesten Werksteile, die noch in Form klassischer Industriebauten des frühen bis mittleren 20. Jahrhunderts gestaltet sind. Besonders auffällig ist ein verklinkerter Hochbau mit schlanken Fensterreihen. In jüngster Zeit errichtete die Firma ein neues, modernes Verwaltungsgebäude. Über die Cremer Holding (ab 1999) gelangte die Walter Rau AG 2016 mehrheitlich in den Besitz der Firma Bunge, eines der weltweiten Marktführer der Branche, die in Deutschland auch Betriebe in Mannheim, Bünde (Westfalen) und das Walter Rau-Stammwerk in Hilter besitzt.

Internet

Literatur und Quellen

  • Verband der deutschen Ölmühlen (hg.): Die deutsche Oelmühlen-Industrie: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Verbandes der Deutschen Oelmühlen zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interesssen e. V., Berlin 1925
  • Roderigo, Hermann: Die geschichtliche Entwicklung der Neusser Ölmühlenindustrie, 1951 (Dipl-Arb. RWWA F 324)
  • Feldhege, Johannes; Geschichte der deutschen Ölmühlenindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Ölmühlenindustrie der Stadt Neuß, Köln 1965/66 (Dipl-Arb., Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv F 325)
  • H.-J. Kallen, Die Neußer Industrien und ihre Unternehmer von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des ersten Weltkriegs, Diss. Tübingen 1973
  • Pentermann, Hermann: 100 Jahre Walter Rau Lebensmittelwerke 1903-2003, Hilter 2003
  • Stadt Neuss, Hausakten Industriestraße 36-40

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