Wasserturm Mühlenstraße

Geschichte

Wie bei vielen niederrheinischen Städten, so diente auch in Neuss einer der Stadtmauertürme gleichzeitig als Windmühle. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr in Betrieb, fand der Turmschaft 1881 als Wasserturm eine neue Verwendung.

Der Turm entstand ursprünglich mit der um 1200 begonnenen hochmittelalterlichen Stadtmauer. Die damals noch unmittelbar am Rhein gelegene Stadt erlebte zu dieser Zeit eine wirtschaftliche Blüte, die eine wohlhabende und politisch selbstbewusste Kaufmannschaft hervorbrachte, aber auch Kircheninstitutionen wie dem Quirinusstift prachtvolle Neubauten ermöglichte. Der Bau einer neuen Stadtmauer erfüllte sowohl symbolische wie praktische Funktionen. Der Ausbau eines im Südwesten gelegenen Turms zur Getreidemühle unweit des Händlerviertels zwischen Rathaus und Obertor ermöglichte die schnelle Verarbeitung von verderblichem Getreide für den täglichen Bedarf der wachsenden Stadtbevölkerung.

Wasserturm Mühlenstraße mit Stadtgarten, Foto: Helmut Friedrichs, 2021

Die Stadtmauer wurde bereits seit dem späten 18. Jahrhundert schrittweise zurückgebaut; 1822 legte Maximilian Weyhe den Plan für einen „Spaziergang“ an der Promenade vor, der 1830 umgesetzt wurde und bis zur Anlage des Stadtgartens am Nordkanals 1900/01 der wichtigste städtische Park blieb. Die an den Park grenzende Windmühle war bis 1845 in Betrieb. Danach fand sich jedoch kein Pächter mehr.

Seit dem Mittelalter diente das Sockelgeschoss als Gefängnis, so 1633 für den Hester Jonas. Heute ist der Turm vor allem mit der Geschichte des berüchtigten Räubers Matthias Weber, genannt „Fetzer“ (*1778 bei Kempen) verbunden, der, im untersten Mühlengeschoss eingesperrt, am ersten November 1796 über die Turmhaube und die Flügel entkommen sein soll. 1803 wurde er in Köln hingerichtet. Später wurde der nur von außen zugängliche Raum im Sockel als Eiskeller, d.h. zur Einlagerung von im Winter gesägten Eisblöcken genutzt.

Für die Nutzung als Wasserturm wurde der Turmstumpf in Backstein teilweise wieder aufgemauert. Der zylinderförmige Wasserbehälter mit 416 cbm Inhalt in 30 m Höhe wurde durch eine verschieferte, hölzerne Außenwand geschützt.

Mit dem Wasserwerk an der Weingartstraße war der Turm mit massiven Gußrohren verbunden. Als der Wasserdruck um die Wende zum 20. Jahrhundert für die wachsende Stadt nicht mehr ausreichte, wurde insbesondere zur Versorgung der Nordstadt am Schornstein des neuen Elektrizitätswerks an der Salzstraße ein zusätzlicher Ringbehälter mit 600 cbm Inhalt angebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen Druckpumpen die Sicherstellung des Wasserdrucks im Leitungssystem. Die Stillegung des Werks an der Weingartstraße beendete jede Nutzung.

Am 24. Oktober 1988 wurde der Turm einschließlich seiner technischen Einbauten unter Denkmalschutz gestellt. Vorschläge zur Nutzung als Aussichtsturm und Café würden sich nur durch tiefgreifenden und kostspieligen Umbau verwirklichen lassen.

BeschreibungDer Wasserturm besteht aus einem massiven, im unteren Teil aus Naturstein (Basalt und Tuff) mit Teilen aus Backsteinmauerwerk, im oberen dem aus Backstein gemauerten, zylindrischen Schaft. Auf Straßenhöhe befindet sich in dem dort bis zu zwei Meter dicken Mauerwerk ein gewölbter Raum, der als Eiskeller genutzt wurde.

Sein Zugang liegt in einer mächtigen, rundbogigen Nische des ehemaligen, stadtseitig um den Turm geführten Wehrgangs. An der Nordwestseite führt hinter dem ehemaligen Stadtmaueranschluss eine wohl im späten 19. Jahrhundert angelegte backsteinerne Treppenanlage mit Tor auf den Wehrgang, der hier eine breite Terrasse bildet, von der aus der obere Teil des Turmes zugänglich ist.

Das nächste Geschoss erreicht man innen über einen in das noch immer dicke mittelalterliche Mauerwerk eingefügte, schmale Treppe. Von hier ab verringert sich die nun in Backstein ausgeführte Turmwand deutlich in der Dicke; die folgenden Etagen besitzen auf dicken, teils mit eisernen Ankern gesicherten Balken aufliegende Holzböden, die durch hölzerne Treppen miteinander verbunden sind (in jüngster Zeit erneuert). Auf der Südseite befinden sich in einem zurückspringenden Bereich des Schaftes übereinander mehrere Türen, denen wohl an der Turmoberkante ein Kran entsprach.

Zwei Geschosse unter dem Behälter befinden sich mit Handrad versehenen die Sperrventile für Steig- und Fallrohr aus Gusseisen; letzteres nimmt auch ein Überlaufrohr auf. Das letzte Geschoss, das im Äußeren durch ein profiliertes Sockelgesims und einen abschließenden Rundbogenfries und einem weit auskragenden Profilgesims, gibt den Blick frei auf den nach unten halbkugelig gewölbten Abschluss des Behälters, der aus genieteten Eisenblechen zusammengesetzt ist.

Auf Höhe des Behälterbodens führt eine Tür auf den von aus Eisen konstruierten äußeren Umgang um die polygonal gebrochene Behälterverkleidung. Zwischen Behälter und Außenwand führt eine schmale Stiege auf den abdeckten Behälter, über dem in knapp einem Meter Abstand sich das eiserne, flache Dachtragwerk des Turms befindet. Dieses besteht aus schmalen Eisenprofilen, die in der Mitte zusammenlaufen. Das flache Turmdach besitzt in der Mitte eine Spitze mit Blitzableiter.

Internet

Literatur und Quellen

  • Huck, Jürgen; Carprasse, Axel; Stadtwerke Neuss (hg.): Wasser für Neuss von der Römerzeit bis zur Gegenwart / 100 Jahre Wasserversorgung in Neuss, Neuss 1982
  • Kaiser, Michael: Zur ersten hochmittelalterlichen Stadtmauer von Neuss, in: Almanach für den Kreis Neuss, 1988, S. 18-37
  • Frommert, Christian: „Besserung der Verhältnisse unerlässlich“. Schiffsverkehr, Abwässer und drohende Epidemie in Neuss zwischen 1860 und 1911, in: Novaesium; 2005, S. 55-66
  • Metzdorf, Jörg (hg.): Die Straßen von Neuss, 2019, S. 234-235, 655

Karte

Mühlenstraße 59 (61)
41460 Neuss