Geschichte
Zur Bewässerung des Stadtgrabens und wohl auch um der zunehmenden Verlandung des alten Rheinarmes vor der Ostseite der Stadt zu begegnen, erhielten die Neusser Bürger 1456 die Erlaubnis von der Erft Wasser abzuzweigen. Der neue Wasserlauf, der die Bezeichnung „neue Erft“ oder „Obererft“ erhielt, wurde durch ein Wehr bei dem Haus Selikum von der Erft abgezweigt, die bei Grimmlinhausen in den Rhein mündete.
Nach der Zerstörung des Wehrs im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt im burgundischen Krieg 1474/75 wurde das Wehr erneuert und die Obererft wieder an den Stadtgraben angeschlossen. Der verstärkte Wasserzufluss konnte im Laufe der folgenden Jahrhunderte die zunehmende Verlandung des Altrheinarms nicht verhindern. Bereits 1670 gelangten die Schiffe nur noch bis zum Rheintor. Erst die Kanalisierung des Bereichs zwischen Hessentor und Rhein in den Jahren 1835-38 stellte eine zuverlässige Anbindung der Stadt an den Rhein sicher.
Nordkanal
Eine neue zentrale Bedeutung gewann die Obererft im Zusammenhang mit dem Bau des Nordkanals. Die Speisung des Kanals sollte nach den Plänen des Chefingenieurs Aimable Hageau durch die Obererft und die Niers erfolgen, wobei die Hauptwassermenge von der Erft kommen sollte. Für eine zuverlässige und dauerhaft Speisung des neuen Kanals war das alte Wehr, das 1740 von der Stadt Neuss nochmals erneuert worden war, nicht mehr geeignet.
Um zunächst einen Teil des Wassers nach Norden zum Lauf der Obererft abzuleiten, wurde die Erft zunächst durch ein festes Wehr aufgestaut, das als „Napoleonwehr“ oder „Ark“ bezeichnet wurde. Eine exakte Regulierung des Wasserstandes im Nordkanal konnte durch ein zweites Wehr, ein sog. „Schützenwehr“ erreicht werden. Dieses Wehr, von den Franzosen „Empellement“ genannt, trennte das ankommende Wasser in einen Teil, der der Obererft und damit dem Nordkanal zugeführt werden konnte und einem Teil, der wieder in den Unterlauf der Erft zurückgeleitet wurde.
Der von Hageau später publizierte Entwurf der Anlage sah ein Doppelwehr mit je drei Ablaufschützen vor, von denen der südliche den Zufluss zur Obererft und der nördliche dem Ablauf zur Erft zugeordnet waren. Obwohl sich die beiden Abläufe direkt hinter dem Wehr nahezu rechtwinklig abgeführt wurden, stellte er die Ablaufschützen in eine Front und erzeugte damit eine, für ein technisches Bauwerk schon als repräsentativ zu bezeichnende Ansicht her. Das gesamt Bauwerk ruht auf einer einem Betonfundament, das wieder auf einer Pfahlgründung aufliegt. Das aufgehende Mauerwerk wurde aus Ziegel- und Natursteinmauerwerk ausgeführt.
Die Anlage ist heute noch weitgehend erhalten. Die Schützantriebe in Höhe der Wehrbrücke sind noch funktionstüchtig, so dass mit ihnen noch die Zahnstangen bewegt werden können, die die Schützen auf und ab bewegten und damit den Wasserstand regulieren. Auch die gebogenen Ufermauern unterhalb des Wehrs sind noch erhalten und veranschaulichen wie die Wasser nach Norden und Osten abgeleitet wurden.
Im Zuge der Erneuerung der gesamten Wehranlage wurde anscheinend auch noch eine Brücke über die Obererft für den Alten Gnadentaler Weg / heute Nixhütter Weg erbaut. Auf den zeitlichen Zusammenhang mit der wassertechnischen Baumaßnahme verweist der Name „Napoleonsbrücke“.
Die 1-bogige Gewölbebrücke aus Feldbrandziegel mit leicht erhöhtem Scheitel wurde im Rahmen des Ausbaus des Nixhütter Weges durch einen Neubau für den Fahrverkehr etwas weiter nördlich ergänzt.
Das Napoleonswehr hat seine Funktion mittlerweile ebenfalls verloren, da der Verlauf der Erft Mitte des 19. Jh. und dann nochmals Mitte 20. Jh. begradigt wurde und damit ihren historischen Verlauf eingebüßt hat. Um die Wasserversorgung der Mühlen im Süden der Stadt dennoch zu gewährleisten, wurde in Selikum ein neues Wehr errichtet, was in den 1990er Jahren nochmals erneuert wurde.
Literatur:
- Hans Scheller, Der Nordkanal zwischen Neuss und Venlo, Schriftenreihe des Stadtarchivs Neuss, Bd. 7, Neuss 1980
Karte
Selikumer Park / Nixhütter Weg
41466 Neuss